Donnerstag, 25. Oktober 2012

Geben und nehmen

Hier in Lagodechi geben mir die Leute wahrlich sehr viel. Die Gastfreundschaft ist für mich täglich erstaunlich und bewundernswert. Gast bleibe ich hier wohl immer, doch in meinem kleinen Bekanntenkreis bin ich schon fast so etwas wie ein Lebensabschnittgeorgier. Die Freundlichkeit nimmt aber nicht ab. Ich finde mich in einem undurchschaubarem sozialen Netzwerk zurecht. Da schaut wirklich jeder zu jedem. Und nach anfänglichen Schüchternheit gegenüber mir, isst man nun auch meine mitgebrachten Karaliok (so was wie eine Kaki).
Vieles mag man hier ja nicht aus der sowjetischen Zeit, höchsten dass sie dank dieser Zeit mit mir russisch sprechen können (obwohl vielleicht ist es das, was ich vor allem mag). Mit einem Blick in den Kühlschrank oder auf einen gedeckten Tisch überkommt mich aber oft das Gefühl, dass Georgier Vorzeigekommunisten sind. Alles gehört jedem und jeder bringt was er hat. Meine Fragen, ob ich etwas zum kochen brauchen kann, werden stets mit einem verwirrten Blick beantwortet. "Frag doch nicht immer!" Wunderschön, auch wenn dann plötzlich mein Kuchen aus dem Kühlschrank verschwunden ist.

Dieses Geben und Nehmen unter den Freunden und Bekannten ist für mich sehr angenehm. Doch lebe ich nicht nur in der Zivilisation, sondern auch in den Wäldern des Kaukasus. Und wie es mir scheint funktioniert hier das System ähnlich. Obwohl - in der Natur kommt der Spruch des Stärken eben doch stark zur Geltung.
Ich nehme mir vieles aus der Natur. Mir ist bewusst, dass ich bereits verwundert über die Sammlerwut der Bevölkerung geschrieben habe. Nach einer gewissen Zeit muss ich mir eingestehen, ich bin nicht gefreit davon. Auch ich gehe in die Wälder und organisiere uns "a free lunch". Und ja - es schmeckt und macht Spass. Keine Angst es handelt sich um Pilze, Hirsche habe ich noch keine geschossen.

A free lunch?
So wird nicht nur der Basar meine Migros, sondern auch die Wälder. All ihr Ökonomen ich kann euch beruhigen, es gibt wohl wirklich nichts wie "a free lunch". Wie gesagt ist es auch hier ein Geben und Nehmen und ich werde an die Kasse gebeten. So hat mir die Natur (vielleicht im Tausch gegen ihre Früchte) mein neues Zimmer genommen. Die Geschichte meines Umzugs will ich nicht nochmals aufwärmen, doch war ich sehr froh über mein Domizil. Und vielleicht könnt ihr es erraten, wer mich vertrieben hat - die Mäuse. Mit denen stehe ich ja sowieso nicht auf gutem Fuss. Jetzt haben sie aber mein Zimmer belagert und haben allmählich mein Regal und Tisch in beschlag genommen. Ja ja, die Natur holt sich alles wieder zurück, insbesondere wenn es Herbst wird und die Mäuse die Wärme suchen. Meine Gegenwehr war aussichtslos, trotz aller Phantasie.
Eine meiner Mäusefallen
Ich blies zum Rückzug und gestehe, die Natur ist um vieles stärker als alles andere. Einige Mäuse konnte ich fangen, doch der Übermacht war ich nicht gewachsen. Da frage ich mich, alles nur wegen ein paar Pilzen. Hm? - Pilze sammle ich weiter und keine Sorge die Situation ist harmloser als sie scheint. Umzuziehen ist ja bekanntlich einer meiner leichtesten Übungen und so bin ich ein Stockwerk nach oben geflüchtet. Die Mäuse können nun unten Party machen und ich habe meine Ruhe. Eines lehrt mich aber diese Geschichte, überleg dir immer zuerst wenn du nimmst, was du geben kannst...

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